Kreide Kunst

Kaum lockt der Frühling mit warmen Sonnenstrahlen, wagt sie sich aus ihrem Versteck. Die Strassenkreide. Oder was das letzte Jahr von ihr übrig liess. Aber auch mit kleinen Stummeln lässt sich Grosses zeichnen…

Frühlingserwachen. Warme Sonnenstrahlen auf der Haut. Blauer Himmel, Vogelgezwitscher und den Geruch von frischem Gras, feucht-warmem Waldboden und ersten Knospen in der Nase. Am liebsten sässe ich mit meiner Tasse Kaffee auf der Terrasse, die Augen zu, der Sonne zugewandt. Auf dem Boden sitzend mit bunter Kreide in der Hand tut es zur Not auch. Hauptsache Frühling, schönes Wetter und gute Laune. Während ich meine Kinder bei ihren Kritzeleien beobachte erinnere mich an letztes Jahr. Wie oft schlug ich Kreidemalerei als gemütliche Nachmittagsbeschäftigung vor. Und wie oft sass ich selbst auf dem Boden und folgte gehorsam den Anweisungen meiner Ältesten, was ich zu zeichnen hätte. Es vergingen unzählige Nachmittage und niemals zeichnete Elea auch nur einen Strich selbst. Aber sie war unschlagbar darin exotische Tiere zu finden, die ich dann zeichnen musste. Es gibt einen guten Grund, warum ich mich in der Schule FÜR das Fach Musik und GEGEN das Fach Zeichnen entschieden hatte. Oder wüsstet ihr auf Anhin, wie man einen Tukan zeichnet, oder wie man die Federn eines Pfaus hinbekommt? Nun, ein Jahr später, sitze ich wieder auf dem Boden unserer Terrasse mit bunten Kreidestummeln in der Hand (Wo ist eigentlich der Rest der Kreide hin?? Versteckt, verloren oder gar verdaut??) und staune. Elea hat vor kurzem zu zeichnen begonnen. Ein Mensch, eine Sonne und die Ohren eines Hasen kriegt sie bisher hin. Anscheinend nicht nur mit Farbstift auf Papier, sondern auch mit Kreide auf den Terrassenboden. Ich geniesse das Gefühl einfach dasitzen zu können und das Kunstwerk meiner Tochter zu bewundern. Ja, auch der zehnte eher angestrengt gekritzelte Mensch ist noch ein Meisterwerk und verdient Anerkennung. Während ich ihr beim Zeichnen zuschaue und überlege, ob ich die Tasse Kaffee nun doch holen soll, zupft schon Emily an mir. „Mami, Vögeli male!“ Ach, Mist. Tochter Nummer 2 verteilt nun die Anweisungen. Nix da mit Kaffee und Pause. Picasso muss auch dieses Jahr ans Werk.

Später, als die Kinder schon kreideverschmiert in ihrem Zimmer verschwunden sind, betrachte ich nochmals unseren buntbemalten Terrassenboden. Ich staune darüber, welche Fortschritte ein Kind in einem Jahr macht. Und lache über meinen eigenen Stillstand.

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